Hund in Bulgarien gefunden?

In jeder Urlaubssaison und manchmal dazwischen und danach erreichen uns etliche Anfragen von Touristinnen und Touristen, die während ihres Aufenthalts einen oder mehrere streunende Hunde gefunden haben. Die Lage, die aus unerfahrener Perspektive vielleicht eindeutig wirkt, ist oft komplex und eine Entscheidung, die das Leben des Hundes gravierend verändern würde sollte auf keinen Fall leichtfertig getroffen werden. Unser Verein hat keine Ressourcen, von Reisenden gefundene Hunde aufzunehmen und zu versorgen. Die Anzahl der Straßenhunde in Bulgarien ist hoch und die Mittel von wohltätigen Organisationen wie uns beschränkt. Wir können also nur in wenigen Fällen und unter strengen Bedingungen helfen. Viel wichtiger: Nicht jeder Hund sollte in vermeintlicher Rettung von der Straße genommen werden. Dazu in diesem Text mehr und auch welche kleinen Hilfen vielleicht für euch in Frage kommen.

Gegen blindes "Retten"

Mitteleuropäer:innen kommen häufig aus der erstrebenswerten Situation, keine Straßenhunde gewöhnt zu sein. Auch die Streunerhilfe Bulgarien e.V. arbeitet auf eine Welt hin, in der Haustiere ohne Dach über dem Kopf zur Vergangenheit gehören. Dennoch ist auch eine Welt mit Straßenhunden nicht schwarz und weiß und nicht jedes Tier auf der Straße leidet Not. Im Gegenteil: Gut integrierte Hunde können ein durchaus zufriedenes und gesundes Leben auf der Straße führen. Gut integriert bedeutet, dass sie zum Beispiel gefüttert werden oder wissen, wie sie an Essen rankommen. Das bedeutet, dass sie mit anderen Straßentieren gut kommunizieren können, dass sie Gefahren erkennen und ihnen ausweichen können und dass sie ein starkes Immunsystem haben. Diese Hunde haben zum Teil Menschen, die regelmäßig nach ihnen sehen. Sie haben vielleicht andere Hunde mit denen sie sich zur Dunkelheit zusammentun und außer Gefahr schlafen. Sie erhaschen sich vielleicht Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten von Tourist:innen wie euch oder meiden sie, weil sie eben darauf keine Lust haben. Diese Hunde leben vielleicht dreckig, essen minderwertiges Futter und genießen keine Privilegien eines Haushundes, haben aber auch eine Freiheit, die kein Zuhause in Deutschland ihnen bieten könnte. Daher bedeutet die Mitnahme eines Hundes von der Straße nicht immer eine Verbesserung ihres Lebens. Gerade die gut integrierten können extreme Schwierigkeiten haben, sich an ein Haushundeleben anzupassen. Sie können sich vielleicht nicht mehr an das Leben innerhalb von vier Wänden gewöhnen. Sie möchten vielleicht ihre Entscheidungsfreiheit nicht an Hundeeltern oder selbsternannte "Rudelführer" abgeben. 

 

Wir sprechen uns als Verein also klar dagegen aus, willkürlich Hunde von der Straße mitzunehmen! 

was ist ein notfall?

Um festzustellen, ob ein Hund wirklich eure Hilfe braucht, sollte man sich hinterfragen und die Situation des Tieres genau beobachten und analysieren. Dabei können euch folgende Fragen helfen:

  1. Ist der Hund verletzt? Ist er eventuell Opfer eines Verkehrsunfalls geworden? Braucht er sofortige medizinische Unterstützung?
  2. Wie ist der allgemeine Zustand des Hundes? Ist er gut genährt oder abgemagert? Ist er scheu und meidet den Kontakt mit Menschen? Läuft er zutraulich Tourist:innen hinterher und fordert Aufmerksamkeit ein?
  3. Ist der Hund erwachsen oder handelt es sich um einen Welpen? Handelt es sich um ein so junges Tier, dass es noch von einer Mutter versorgt werden müsste oder ist es in der Lage selbstständig Nahrung zu sich zu nehmen? Ist der Hund alleine unterwegs oder hat er Anschluss an eine Hundegruppe?
  4. Wo befindet sich der Hund? Verbringt er seinen Tag in der Nähe einer Touristenanlage oder in einem Stadtzentrum? Hält er sich direkt neben einer gefährlichen Straße auf? Befinden sich in unmittelbarer Umgebung eventuell Futter- oder Wasserplätze?
  5. Ist der Hund Läden, Restaurants oder Einwohner:innen in der Nachbarschaft bekannt? Wird er eventuell von jemandem versorgt und schaut jemand nach ihm?

Auch wenn es hart klingt: Sollte der Hund keine medizinische Hilfe benötigen, selbstständig souverän unterwegs sein und "charmant" mit Tourist:innen umgehen oder aber auch unverletzt ihre Nähe eher meiden, sollte er vielleicht durch Nachbar:innen oder Reisende versorgt werden und an einer ungefährlichen Stelle leben, können wir euch nur raten: Lasst das Tier, wo es ist - in seinem gewohnten Umfeld.

 

Wann können wir helfen?

Für besonders engagierte und finanziell belastbare Tierschützer:innen kann die Option geprüft werden, den Findling auf eigene Kosten in einer Pflegestelle oder Tierpension unterzubringen, sollte dieser tatsächlich dringende menschliche Hilfe benötigen. Je nach spezifischem Fall können wir als Verein bei der Suche nach einer geeigneten Stelle behilflich sein und unter Umständen Vermittlungshilfe nach Deutschland leisten. Dies erfolgt allerdings nur unter vorheriger Absprache mit unserem Team. Seid euch dabei bewusst, dass ihr dann auf unbestimmte Zeit die Unterbringungs- und Versorgungskosten für dieses Tier tragen müsst. Pensionsplätze in Bulgarien belaufen sich mittlerweile auf 3-10 Euro pro Tag. Unser Verein, wie auch viele andere Vereine vor Ort, ist finanziell nicht in der Lage diese Kosten zu übernehmen. Zusätzlich ist wichtig zu wissen, dass die Streunerhilfe Bulgarien e.V. nur in den Großräumen Sofia und Plovdiv operiert. Es ist uns nicht möglich Tiertransporte von anderen Orten in Bulgarien nach Deutschland zu organisieren. Seid ihr zum Beispiel an der Schwarzmeerküste unterwegs und nicht in der Lage das Tier in unseren Raum zu bringen und dort die Unterbringung zu bezahlen, können wir höchstens empfehlen, sich nach lokal operierenden Vereinen umzusehen - ohne Gewähr auf tatsächliche Hilfeleistung an anderer Stelle.

Seid ihr bereit, euren Findling dauerhaft finanziell zu unterstützen, ihn ggf. im Voraus tierärztlich vorzustellen - meldet euch bei uns. Wenn es und möglich ist, versuchen wir mit euch eine Lösung zu finden.

Castrate and Return

Für deutsche Ohren mag das ungewohnt und herzlos klingen. Doch Tatsache ist: Nicht allen Tieren auf der Straße geht es schlecht. Tiere ohne Verletzungen und Erkrankungen, die ein gutes Immunsystem haben und einen Zugang zu Nahrung und Wasser, Hunde die sich im Dorf- oder Stadtgeschehen gut eingefunden haben und wissen, wo sie ohne Gefahr hinlaufen können - diese Tiere sind in ihrem Umfeld integriert und haben die Möglichkeit zu einem verhältnismäßig sicheren Leben mit einer annehmbaren Lebenserwartung. In einer perfekten Welt würde man vielleicht für diese Tiere auch ein festes Zuhause suchen, aber Fakt ist erstens, dass es viel mehr Straßentiere gibt als Optionen, diese unterzubringen und zweitens, dass man einem integrierten Straßenhund nicht unbedingt einen Gefallen tut, wenn man ihn aus einem etablierten Umfeld entreißt und ihn in eine völlig fremde Welt mit anderen Regeln und weniger Freiheiten verfrachtet. Deshalb sprechen wir uns deutlich gegen eine willkürliche Mitnahme von gesunden, kräftigen Tieren aus ihrem Umfeld aus der Straße aus.

Wie man in diesem Fall dennoch etwas Gutes tun kann, ist mit Kastration. Dadurch wird verhindert, dass sich Straßentiere vermehren und Hunde in diese Welt hineingeboren werden, die sich entweder schlechter assimilieren können oder im sensiblen Welpenalter elendig an Krankheiten sterben. Daher gibt es auch für Privatpersonen die Option, Hunde kastrieren zu lassen und an ihren Fundort zurückzubringen. In vielen Großstädten und Regionen gibt es dafür Kastrationszentren, in denen das kostenlos erfolgt. Ist man bereit, etwas Geld zu investieren, kann man in Bulgarien für etwa 40-100€ einen Hund in einer Tierarztpraxis oder Klinik kastrieren lassen. Bei dieser Gelegenheit können Hunde auch geimpft, entwurmt und gegen Parasiten behandelt werden. Wichtig ist, dass das Tier danach an seinen angestammten Ort zurückgebracht wird, wo es sich zurechtfindet. Wichtig ist, zu prüfen, ob der Hund bereits kastriert ist. Dies erkennt man entweder an einer Marke im Ohr oder einer Markierung an der Ohrspitze. In der Regel ist die Spitze eines Ohres dreieckig oder mondförmig abgeschnitten.

 

Im Raum Plovdiv ist unser eigenes Kastrationszentrum aktiv und kann auch von Tourist:innen angefragt werden, ansonsten können Tierärzt:innen in der Urlaubsgegend angefragt werden:

 

Kastrationszentrum der Streunerhilfe Bulgarien und der ETN in Plovdiv

 

Kleine hilfen

Nicht jede Person hat die Ressourcen, ein Tier auf eigene Kosten unterzubringen und ob die lokalen Behörden eingeschaltet werden ist auch oft eine Abwägungssache, da nicht sichergestellt ist, dass dem Tier damit wirklich geholfen wird. Mit wenig Mitteln könnt ihr dennoch eine kleine Abhilfe schaffen.

  • Ein wenig Futter ist zwar ein Tropfen auf den heißen Stein, kann im Zweifel einem Straßenhund aber über einen Tag oder die Dauer eures Aufenthaltes hinweghelfen. Vielleicht folgen andere Menschen eurem Beispiel und das Tier wird wenigstens sporadisch versorgt. Auch eine kleine Wasserstelle einzurichten ist in manchen Fällen eine gute Idee.
  • In veterinärmedizinischen Apotheken, die in Bulgarien recht verbreitet sind, könnt ihr für den Hund Antiparasitika (Spot-On, Wurmkur etc.) besorgen. Somit befreit ihr ihn möglicherweise von einem beschwerlichen Floh- oder Zeckenbefall und schützt ihn für einen gewissen Zeitraum vor weiteren Bissen.